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Die Geschichte

Die erste Initiative

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Nach Angela Lühning, Direktorin des Kulturzentrums: Die ursprüngliche Idee kam zum einen von mir, da ich ja schon seit 1988 in diesem Viertel wohne, zum anderen auf eine gewisse Art von Fatumbi [Pierre Verger].
Zur Zeit, als Verger starb, 1996, hatte das Viertel schon viele neue Nachbarn, neue Familien, zudem Häuser, die in die Höhe wuchsen. Diese Personen wussten nicht mehr, wo das Gelände der Stiftung war. Dann so um das Jahr 2000 und zum Zeitpunkt der 100-Jahr Feier von Pierre Verger 2002, waren wir Angestellten von der Stiftung uns einig, dass wir etwas unternehmen mussten, um diese Situation der Unkenntnis (von den Aktivitäten der Stiftung) zu beheben. Das war das Zeichen zum Aufbruch.

Wir luden einige Kinder aus der Gemeinde ein und führte mit den Kindern des Viertels den ersten Kurs durch. Wir wählten Kunst, Erziehung, Theater, Musik und Tanz; Ein wenig von Allem während einem oder zwei Monaten. Ich brachte diese Gruppe mit einem Bus der Stadtverwaltung von Salvador zur Ausstellung der 100-Jahresfeier von Pierre Verger in das MAM (Museum für Moderne Kunst). Als Idee hinter dem Besuch stand, dass Menschen aus allen Orten die Ausstellung besuchen sollten, vor allen Dingen die Nachbarn, die weder wussten, dass es eine Ausstellung gab und zudem nicht gewohnt waren, zu Ausstellungen zu gehen.

Im darauf folgenden Jahr musste eine meiner Studentinnen der Fakultät ein Unterrichtspraktikum absolvieren. Ich mochte ihre Arbeit, die sie damals im "Pracatum" gemacht hatte, deswegen lud ich sie ein, einen Kurs abzuhalten, da wir auf der Straße in der Nähe der Stiftung eine Gruppe kannten, die gerne einen Gesangskurs machen wollte.  Es stellte sich auch jemand vor, der mit Recyclingmaterial arbeiten wollte. Wir machten das erste Projekt, wir erhielten Unterstützung, und so hatten wir schon zwei funktionierende Kurse. Daraufhin wollten die Jugendlichen einen Kurs in afrikanischem Tanz mit Negrizu machen. Dazu kam Gitarrenunterricht und ein weiterer Musikkurs, und so ging es immer weiter.

Unser Unterrichtsraum wurde langsam zu klein und die Kollegen der Stiftung beklagten sich ein wenig über den Lärm. Schließlich konnte man so nicht weiter machen. Der Präsident der Stiftung seinerseits wollte diese Aktivität erweitern. Wir beschlossen, diesen neuen Platz zu schaffen, unmittelbar oberhalb dem Sitz der Stiftung gelegen, und der Präsident selbst setzte sich persönlich ein, um das Projekt zu realisieren.

Der Bau der Räumlichkeiten des Kulturzentrums

Mit der Aussicht auf mehr Raum, machten wir gemeinsam mit dem Kultusministerium ein Projekt "Kulturtreff". Somit hatten wir eine finanzielle Basis, und konnten  unsere Expansionspläne umsetzen. Während der Bauzeit unterrichteten wir auch an anderen Orten und in anderen Räumlichkeiten, um unser Programm, das schon vom Kultusministerium genehmigt war, durchführen zu können. Endlich, im November 2005 weihten wir das Kulturzentrum (Espaco cultural) Pierre Verger ein.

Es wurde schon unterrichtet, obwohl wir noch keine Tische und Stühle hatten. Dank der Unterstützung von verschiedenen Seiten kam die Ausstattung nach und nach. Wir sind immer noch nicht ganz fertig, aber uns gelang es, das umzusetzen, was das ursprüngliche Ziel war: Die Stiftung (FPV) wirksam in die sie umgebende Gemeinde einzugliedern. Denn eine Einrichtung, die ausschließlich von nationalem oder internationalen Publikum besucht und genutzt wird, während die angrenzende Gemeinde gar nichts von der Stiftung (FPV) weiß,entsprach nicht unseren Vorstellungen. Gleichzeitig wollten wir eine soziale Aufgabe der Stiftung (FPV) erfüllen, d.h. in unserem Fall, die Bedeutung der afro-brasilianischen Herkunft bewusst machen, weil die meisten der Gemeindemitglieder afrikanische Vorfahren haben. Damit erfüllen wir auch die Wünsche von Verger, die in den Wurzeln der Stiftung (FPV) verankert sind, deren zentraler Aspekt der Austausch mit Afrika und die Erforschung und die Verbreitung der afro-brasilianischen Kultur ist. Das soll nicht nur durch Ausstellungen und Veröffentlichungen, sondern auch auf praktische Art und Weise nahe der Stiftung (FPV) geschehen. Wir riskierten es und erreichten unser Ziel.

Die Beziehungen von Pierre Verger zur lokalen Gemeinde

Verger war seinerzeit eng mit der Gemeinde verbunden. Da aber die lokale Bevölkerung stark angewachsen war, wussten die Jugentlichen nicht mehr, wer Pierre Verger war, weil sie nicht mit ihm aufgewachsen waren. Aber als er noch lebte - das kann ich bezeugen, weil ich seit 1988 hier bin - kamen häufig Nachbarn, um bei ihm Rat einzuholen, so baten sie z.B. um Erlaubnis für Forschungsarbeiten, Informationen über gewisse Orixas oder die Wirkung bestimmter Pflanzen. In diesem Sinn hatte Verger Kontakt mit der lokalen Gemeinde, obwohl er sich nicht aktiv engagierte, weil das für einen Mann seines Alters schwer möglich war. Verger war jedoch daran gelegen, dass das, was er gemacht hatte, der örtlichen Bevölkerung diente.

Es gab immer Personen, die na die Tür klopften und, wenn Verger Zeit hatte und ihm danach war, empfing er sie problemlos. Darüber hinaus erreichten Verger viele Briefe von Forschern und Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Er las und beantwortete sie täglich mit großer Anteilnahme. Verger war der Kontakt mit Menschen sehr wichtig. Er hatte Freunde in allen Gesellschaftsschichten.

Wir von der Stiftung (FPV) und des Kulturzentrums knüpfen an die Lebensart Vergers na und führen die Beziehung mit den Menschen der Gemeinde in seinem Sinne weiter. Obgleich er niemals ausdrücklich den Wunsch äußerte, ein Kulturzentrum zu schaffen, wäre er sicherlich mit dem Projekt einverstanden gewesen und er wäre glücklich, es jetzt wachsen zu sehen.

* Eine öffentliche Musikschule, die Carlinhos Brown im Viertel Candeal in Salvador gegründet hatte.
** Negrizu ist Tänzer, der schon in der Stiftung arbeitete.

Interview mit Angela Lühning - verantwortlich für die Forschungsabteilung der FPV. Angela Lühning wurde von Anne Sobotta interviewt.